Die im Jahre 1855 von Conrad Wilhelm Hase neu erbaute St.-Marcus-Kirche zu Wettmar erhielt 1856, also ein Jahr später, auch eine neue Orgel von dem Orgelbauer Johann Andreas Engelhardt (1804-1866) aus Herzberg am Harz. Engelhardt stammte aus Lossa bei Naumburg und war mit seiner Werkstatt seit etwa 1830 in Herzberg ansässig. Seine Orgelbautätigkeit erstreckte sich in den Folgejahren bis nach Hannover und Braunschweig. Die größte noch weitgehend original erhaltene Orgel Engelhardts steht in der Nicolaikirche in Herzberg. Sie wurde zuletzt im Jahre 1992 umfassend restauriert.


Stilistisch stehen die Orgeln Engelhardts in der Tradition des sächsisch-thüringischen Orgelbaus des 18. und frühen 19. Jahr­hunderts mit größten­teils noch spätbarocker Disposition (Register­zusammenstellung). Die Orgel in der St.-Marcus-Kirche ist mit 14 Registern eines der kleineren Instrumente, wie sie häufig in Dorfkirchen vorzufinden sind. In den Kirchenbüchern fand sich zum Bau dieser Orgel das Angebot („Kostenanschlag“) mit der vorgeschlagenen Disposition in der Original­hand­schrift Engelhardts aus dem Jahre 1854. Danach sollte die Orgel 13 klingende Register auf 2 Manualen und Pedal haben zum Preis von 769 Courantmark. Für das 14. Register, die Posaune 16 Fuß im Pedal, war nur der Platz vorgesehen. Wie die Orgel dann tatsächlich gebaut wurde, lässt sich leider nicht mit letzter Sicherheit feststellen. Offensichtlich hat Conrad Wilhelm Hase nach­haltigen Einfluss auf das Gehäuse und die äußere Gestaltung der Orgel ausgeübt. So sind z. B. die im Prospekt stehenden, also außen sichtbaren, Pfeifen bis auf die fünf im mittleren Feld stehenden stumm, obwohl Engelhardt das gesamte Register Prinzipal 4 Fuß für den Prospekt vorgesehen hatte.


Im Laufe der Jahre wurde das Klangbild, dem neobarocken Zeit­geschmack folgend, durch Austausch einiger Register mindestens einmal, vielleicht sogar mehrfach verändert. Umfangreichere Arbeiten an der Orgel im Sinne einer „Restauration“ wurden zuletzt 1973 von der Orgelbaufirma Hillebrand, Altwarmbüchen, durchgeführt. Dabei wurden die Register unter denkmals­pflegerischen Gesichtspunkten teils aufgearbeitet, teils neu an­gefertigt, so dass spätestens danach nur noch ein vergleichs­weise geringer Anteil der originalen Pfeifen von Engelhardt vorhanden war. Original sind jedoch die Wind­laden sowie die mechanische Spiel- und Registertraktur. Nach dem Kirchenbrand 1978 waren erneut Instand­setzungsarbeiten erforderlich.


Im Jahre 2001 entschloss sich der Kirchenvorstand nach Beratung mit dem zuständigen Orgelrevisor Christian Conradi an Stelle der eigentlich vorgesehenen technischen Instandsetzung und Aus­reinigung zu einer umfassende Restaurierung der gesamten Orgel mit Wiederherstellung der originalen Disposition von 1854. Nach eingehender Würdigung der vor­liegenden Angebote wurde der Auftrag für diese Arbeiten an die Orgelbauwerkstatt Jörg Bente in Helsinghausen bei Bad Nenndorf vergeben.


Bei der Restau­rierung, die von Juni 2005 bis Juni 2006 durch­geführt wurde, mussten die Register bzw. Pfeifen, die nicht mehr original vorhanden waren, nach Engelhardtschem Vorbild re-konstruiert werden. Besonders erfreulich war dabei, dass der Bestand an originalen Engelhardt-Pfeifen mit Unterstützung von Orgel­revisor Hans-Ulrich Funk aus Herzberg durch noch vor­handene Pfeifen aus zwischen­zeitlich auf­gegebenen Engelhardt-Orgeln sinnvoll ergänzt werden konnte. Mit der Wieder­einweihung am Sonntag Trinitatis 2006 wurde das Instrument nun wieder seiner Bestimmung übergeben.

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Die originale Disposition der Engelhardt-Orgel (1854/2006)

A. Hauptwerk

1. Principal 4 Fuß, von 12 löthigem engl. (oE) Zinn im Prospekt

2. Principal 8 Fuß, die tiefe Oktave (toE) von Holz, die Fortsetzung von 6-löthigem Metall

3. Bordun 16 Fuß, von Holz, von C an *) (r)

4. Doppelflöte 8 Fuß, von Holz (toE)

5. Gedact 4 Fuß, von 6 löthigem Metall (o)

6. Octave 2 Fuß, desgleichen (oE)

7. Mixtur 3 fach, desgleichen (o)

B. Oberwerk

8. Lieblich Gedact 8 Fuß, von Holz (o)

9. Viola di Gamba 8 Fuß, die tiefe Octave mit (to) Lieblich Gedact verbunden, die Fortsetzung von 6 löthigem Metall *)

10. Fernflöte 4 Fuß, von Holz (r)

C. Pedal

11. Subbass 16 Fuß, von Holz (o)

12. Principalbass 8 Fuß, desgleichen (o)

13. Bordun 8 Fuß, desgleichen (o)

14. Posaune 16 Fuß, desgleichen *) (r)

o = original Wettmar; oE = original Engelhardt; to = teilweise original;

toE = teilweise original Engelhardt; r = rekonstruiert

*) Bordun 16 Fuß konnte aus Platzgründen nur von G ab gebaut werden. Viola di Gamba 8 Fuß wurde bis G gebaut und erst ab Fis mit Lieblich Gedact zusammen­geführt. Der im Kostenanschlag von Engelhardt vorgesehene Platz für eine Posaune 16 Fuß im Pedal wurde im Rahmen der Restaurierung­s­arbeiten damit besetzt.

 

 

Die Disposition der Engelhardt-Orgel

vor der Restaurierung                     nach der Restaurierung

1. Manual                                      Hauptwerk (C – f’’’)

Principal 8’                                     Principal 8’

Rohrflöte 8’                                    Doppelflöte 8’

Oktave 4’                                        Principal 4’

Gedackt 4’                                      Gedact 4’

Nasat 2 2/3’                                    Bordun 16’ (ab G)

Oktave 2’                                        Octave 2’

Mixtur 3-fach                                   Mixtur 3-fach

 

2. Manual = Oberwerk (C – f’’’)

Gedackt 8’                                  Lieblich Gedact 8’

Querflöte 4’                                Fernflöte 4’

Nachthorn 2’                               Viola da gamba 8’

 

Pedalwerk (C – d’)

Subbass 16’                                 Subbass 16’

Oktavbass 8’                                Principalbass 8’

Gedacktbass 8’                            Bordun 8’

Trompete 8’                                Posaune 16’

Spielhilfen: Manualschiebekoppel, Pedalkoppel